Hintergrund

Professionelle Headsets mit aktiver Geräuschunterdrückung (active-noise-cancelling/reduction oder kurz anc/anr) für die Luftfahrt sind sehr teuer. Die Preise für gute Geräte liegen um die 1000 €. Das ist schon viel Geld für Hobby-/Freizeitflieger und noch mehr für deren Fluggäste, die nur gelegentlich mitfliegen. Die Alternative sind dann oft klobige, schwere und unbequeme Headsets ohne aktive Geräuschunterdrückung. Diese sind dafür entsprechend günstiger zu bekommen.

Aufgabe und Anforderungen

Es soll eine bezahlbare Alternative geschaffen werden, um Hobby-/Freizeitpiloten die Möglichkeit zu geben, auch ihre Fluggäste mit bequemen Headsets mit aktiver Geräuschunterdrückung auszurüsten. Etwas Handarbeit und Eigeninitiative sind für die finanzielle Ersparnis erlaubt, schließlich handelt es sich um ein Hobby, wo der Zeitfaktor nicht die entscheidende Rolle spielt.

Entwicklung der Idee und Auswahl der Komponenten

Headsets im Consumer-Bereich sind meist leicht und bequem zu tragen und mittlerweile auch häufig mit integrierter aktiver Geräuschunterdrückung zu bekommen. Die integrierten Mikrofone sind allerdings nicht unbedingt für die laute Umgebung in einem kleinen Propellerflugzeug ausgelegt. Um eine reibungslose Kommunikation an Bord sicherzustellen, soll also ein professionelles, für diesen Zweck ausgelegtes Mikrofon mit dem Headset kombiniert werden. Das Mikrofon soll ohne großen Aufwand schnell, sicher und fest am Kopfhörer angebracht werden können. Dabei soll auf Kleben, Bohren oder sonstige permanente Änderungen am Kopfhörer verzichtet werden, um das Mikrofon genau so schnell wieder abnehmen und den Kopfhörer auch ganz normal als solchen weiter verwenden zu können.

Aufgrund der guten Verfügbarkeit und des guten Preis-Leistungsverhältnisses haben wir uns in unserem Projekt für die Kombination aus folgenden Teilen entschieden:

  • Kopfhörer: Soundcore by Anker Life Q30 Bluetooth Kopfhörer (zum Zeitpunkt der Entwicklung erhältlich für ca. 80 € bei Amazon)
  • Mikrofon: Original Bose A20 Aviation Headset Mikrofon (als Einzelteil zum Zeitpunkt der Entwicklung für ca. 50 € z.B. bei Ebay erhältlich)
  • Kabel: Bose A20 PJ Anschlusskabel (hier gibt es auch unzählige andere Kabel zur Auswahl zwischen ca. 10-50 € zum Zeipunkt der Entwicklung)

Für die Befestigung des Mikrofons an den Kopfhörer soll ein passgenauer Adapter entwickelt werden, mit dem die oben genannten Anforderungen zu erfüllen sind.

3d-Scan und CAD-Konstruktion

Im nächsten Schritt wurden die Komponenten, die miteinander verbunden werden sollten 3d-gescannt. Das war zum einen der untere Bereich der linken Ohrmuschel des Kopfhörers, zum anderen der Befestigungsfuß des Mikrofons des Bose A20 Headsets. Die 3d-Scandaten wurden anschließend in die CAD-Software geladen.
In der CAD-Software wurden die 3d-gescannten Bauteile dann virtuell in der gewünschten Anordnung zueinander ausgerichtet. Die 3d-Scandaten ermöglichen die exakt an die Geometrie der Bauteile angepasste Konstruktion. So wurde ein Adapter konstruiert, der genau zwischen Ohrmuschel und Mikrofonhalter passt. Hierbei wurde darauf geachtet, dass die Bedienknöpfe des Kopfhörers zugänglich bleiben. Die USB-C Anschlussbuchse des Kopfhörers, die während eines Fluges in der Regel nicht benötig wird, wurde als formschlüssiges Arretierungselement genutzt. So kann der Adapter nicht verrutschen. Er wird mit einem kleinen Kabelbinder in der dafür im Adapter vorgesehenen Nut an der Ohrmuschel befestigt. Um die USB-C-Buchse zum Laden des Kopfhörers erreichen zu können, kann der Adapter abgehoben und zur Seite geschoben werden. Das Mikrofon wird an der gegenüberliegenden Seite ebenfalls formschlüssig in den Adapter gesteckt und mit zwei Standard M2x10 Schrauben und Muttern dauerhaft befestigt.
Für die Verkabelung gibt es eine Kabelführung am Adapter. Hier kann das Kopfhörerkabel wahlweise an das PJ-Kabel verlötet werden oder direkt mit einem entsprechenden Adapter in die Buchse des Flugzeugs geführt werden. Das Mikrofonkabel wird an das PJ-Kabel verlötet.

Ausrichtung 3d-Scandaten Headset Vorderansicht
Ausrichtung 3d-Scandaten Headset Ansicht schräg oben
Headsetadapter CAD Ansicht 1
Headsetadapter CAD Ansicht 2
3d-Scandaten Headset mit Adapter CAD Vorderansicht
3d-Scandaten Headset mit Adapter CAD schräg oben

Herstellung des Adapters mittels 3d-Drucker

Aufgrund der komplexen Form und der geringen Auflage wurde zunächst ein Prototyp im 3d-Drucker im SLA-3d-Druckverfahren hergestellt. Da der Adapter in der Regel keinen allzu großen mechanischen Belastungen ausgesetzt ist, ist davon auszugehen, dass dieses relativ günstig zugängliche 3d-Druckverfahren mit den günstigen Standard-Resins für diese Anwendung völlig ausreichend ist.

Ergebnis – Bequemes ANR/ANC Headset für unter 200 €

Der Adapter passt genau, das Mikrofon ist schnell, einfach und ohne Änderungen am Kopfhörer also ohne Rückstände angebracht und wieder entfernt. Der Kopfhörer ist also in Sekundenschnelle in ein ANR/ANC Headset verwandelt und wieder zurück und ganz normal weiter verwendbar. In schwarzem Material gedruckt, fällt der Adapter im Eingebauten Zustand kaum als „Fremdteil“ auf. Das ganze gibt es für unter 200 € und etwas Bastelarbeit – Ziel erreicht.

Übrigens war auch der Flugtest ein voller Erfolg. Der Fluggast war begeistert über den Tragekomfort im Vergleich zum inaktiven Headset und auch die Kommunikation über das Intercom des Flugzeug war einwandfrei in guter Qualität möglich.

Das Headset ist in dieser Form aber ausschließlich für Fluggäste zu empfehlen. Für den Piloten selbst sollte sicherheitshalber ein geprüftes Luftfahrt-Headset verwendet werden.

Headset mit aktiver Geräuschunterdrückung / active noise cancelling (ANC/ANR) selbst bauen

Wenn Sie sich ebenfalls selbst das Headset bauen möchten, können wir Ihnen die mittlerweile überarbeitete Version des Adapters in dunkelgrau für 36 € zzgl. Versandkosten zum Kauf anbieten. So kommen Sie je nach aktuellen Preisen und Auswahl der Einzelteile mit deutlich unter 200 € zurecht.

Alternativ könnte man sich auch anstelle des einfachen Kabels für die Bedieneinheit vom Bose A20 Headset mit oder ohne Bluetooth Funktion entscheiden, um die jeweiligen Funktionen wie Audiowiedergabe oder Telefonieren nutzen zu können. Dadurch würde sich der Gesamtpreis natürlich entsprechend erhöhen.

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